Die eigenen vier Wände – für viele Österreicher ist es der Inbegriff persönlicher Erfüllung und finanzieller Sicherheit. Doch was jahrzehntelang als erreichbares Ziel für breite Bevölkerungsschichten galt, entwickelt sich zunehmend zu einem schwer realisierbaren Traum. Dies belegt eine aktuelle, von der Hypo Niederösterreich in Auftrag gegebene Studie, die ein ernüchterndes Bild der gegenwärtigen Situation zeichnet. Besonders junge Familien und Menschen in der Lebensphase der Familiengründung sehen sich mit scheinbar unüberwindbaren finanziellen Hürden konfrontiert.
Niederösterreich als Spiegel der Entwicklung
Besonders deutlich wird die Problematik in Niederösterreich, das traditionell als "Land der Häuslbauer" bekannt ist. Zwar haben sich hier bereits 59 Prozent der Bevölkerung den Traum vom Eigenheim erfüllt – eine Quote, die deutlich über dem österreichischen Durchschnitt liegt. Doch die Perspektiven für nachrückende Generationen verdüstern sich zusehends. Zwei Drittel der Befragten sind überzeugt, dass sie sich unter den aktuellen Bedingungen kein Eigenheim mehr leisten können. Sie halten eine Finanzierung für schier nicht machbar! Diese Entwicklung hat weitreichende gesellschaftliche Folgen, da sie die soziale Mobilität einschränkt und die Vermögensbildung erschwert.
Drastischer Rückgang beim privaten Hausbau
"Der Bau privater Häuser ist aufgrund vieler negativer Faktoren stark rückläufig", bestätigt Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko die besorgniserregende Entwicklung. Die Gründe dafür sind vielschichtig und verstärken sich gegenseitig: Drastisch gestiegene Baukosten treffen auf historisch hohe Grundstückspreise, während gleichzeitig die Finanzierungsbedingungen so streng sind wie nie zuvor. Die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser sind im vergangenen Jahr um mehr als 25 Prozent zurückgegangen – ein Trend, der sich auch in diesem Jahr fortsetzt.
KIM-Verordnung: Große Hürde, wenig bekannt
Eine zentrale Rolle spielt dabei die 2022 eingeführte KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung), die die Vergabe von Immobilienkrediten grundlegend verändert hat. Die Studie offenbart jedoch eine bedenkliche Informationslücke:
Drei Viertel der Befragten kennen diese entscheidende Regelung nicht im Detail. Sie haben lediglich "davon gehört", dass es seither schwieriger geworden ist, einen Wohnbaukredit zu erhalten. Die Verordnung wurde ursprünglich eingeführt, um die Stabilität des Finanzsystems zu stärken und eine Überschuldung der privaten Haushalte zu verhindern – ein grundsätzlich sinnvolles Ziel, das jedoch in der praktischen Umsetzung viele Bauträume zunichte macht.
Resignation vor der Antragstellung
Die Auswirkungen dieser Unwissenheit sind weitreichend. "Jeder Achte fragt daher gar nicht erst um einen Kredit an", erläutert Studienautor Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse. Eine Art vorauseilender Gehorsam, der möglicherweise manchem den Weg zum Eigenheim unnötig verbaut. Denn was die wenigsten wissen: Banken verfügen durchaus über Ausnahmekontingente, selbst wenn die strengen Vorgaben der KIM-Verordnung bezüglich Einkommen oder Eigenmitteln nicht vollständig erfüllt werden. Diese Kontingente ermöglichen es den Banken, in bestimmten Fällen flexibler zu agieren und individuelle Lösungen anzubieten.
Expertenwissen als Schlüssel zum Erfolg
"Bankexperten kennen alle Hürden", betont Hypo-Vorstand Wolfgang Viehauser und rät dringend zur persönlichen Beratung. In der Tat zeigt sich hier ein möglicher Lösungsansatz: Während die grundsätzlichen Anforderungen – wie etwa 20 Prozent Eigenkapital oder eine maximale monatliche Kreditrate von 40 Prozent des Nettoeinkommens – zunächst abschreckend wirken mögen, können im Einzelfall durchaus flexible Lösungen gefunden werden. Verschiedene Faktoren wie ein sicheres Arbeitsverhältnis, zusätzliche Einkommensquellen oder familiäre Unterstützung können dabei positiv ins Gewicht fallen.
Baukosten auf Rekordhöhe
Die aktuelle Situation am Immobilienmarkt spiegelt dabei größere wirtschaftliche Verwerfungen wider. Seit 2020 sind die Baukosten um durchschnittlich 30 Prozent gestiegen – ein historischer Anstieg, der durch verschiedene Faktoren befeuert wurde. Die Kombination aus gestörten Lieferketten, Materialknappheit und steigenden Energiekosten hat die Baubranche fundamental verändert. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus kostet heute rund 100.000 Euro mehr als noch vor drei Jahren. Experten gehen davon aus, dass eine Rückkehr zu den Preisniveaus der Vergangenheit unrealistisch ist.
Lichtblicke und Alternativen
Dennoch gibt es Hoffnungsschimmer. Verschiedene Förderprogramme, insbesondere für energieeffizientes Bauen und junge Familien, können die finanzielle Last spürbar reduzieren. Die Wohnbauförderung des Landes Niederösterreich bietet beispielsweise zinsgünstige Darlehen von bis zu 155.000 Euro für Neubauten. Zusätzlich werden Zuschüsse für energiesparende Maßnahmen gewährt, die bis zu 28.000 Euro erreichen können. Zudem zeichnet sich eine gewisse Stabilisierung der Baukosten ab, auch wenn das Niveau hoch bleibt.
Neue Wege zum Eigenheim
Für viele Menschen bedeutet dies eine Neujustierung ihrer Pläne. Statt eines Neubaus rücken Alternativen wie der Erwerb und die Sanierung bestehender Immobilien in den Fokus. Der Kauf einer älteren Immobilie kann dabei durchaus wirtschaftlich sein: Oft liegen die Gesamtkosten einschließlich Sanierung deutlich unter denen eines Neubaus. Auch das Modell des schrittweisen Ausbaus gewinnt an Bedeutung, bei dem zunächst ein Grundstandard realisiert und das Haus dann über die Jahre erweitert wird.
Fazit: Realistische Planung als Basis
Der Traum vom Eigenheim ist also nicht ausgeträumt, aber er erfordert mehr denn je eine realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und eine sorgfältige, langfristige Planung. Vor allem aber zeigt sich: Information und professionelle Beratung sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer die verschiedenen Optionen kennt und nutzt, für den kann der Weg zu den eigenen vier Wänden trotz aller Hürden gangbar sein. Entscheidend ist dabei, frühzeitig mit der Planung zu beginnen und sich umfassend über alle Möglichkeiten der Finanzierung und Förderung zu informieren.
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