In sämtlichen aktuellen Umfragen der professionellen Marktbeobachter kristallisiert sich eine klare Erwartung heraus: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich im Verlauf dieses Jahres, beginnend ab der Jahresmitte, die Leitzinsen in mehreren Etappen senken. Diese Prognose spiegelt sich zunehmend auch in der Zinslandschaft Österreichs wider, wo seit einiger Zeit sowohl bei den Einlagen als auch bei den Krediten ein allmählicher Rückgang zu verzeichnen ist. Ein Muster, das sich auch im Bereich der Wohnbaukredite zeigt, die im vergangenen November noch einen Zinssatz von 4,34 Prozent verzeichneten, der seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr erreicht wurde. Bis zum Januar 2024 sank dieser Wert um 20 Basispunkte auf 4,14 Prozent. Diese bedeutsamen Zahlen wurden kürzlich von OeNB-Vize Gottfried Haber und OeNB-Statistikdirektor Johannes Turner während einer Pressekonferenz präsentiert.
Wie wird die EZB bei den nächsten Sitzungen zum Leitzins entscheiden?
Die weitere Entwicklung der Wohnbaukreditzinsen und ob diese weiter sinken oder vorerst stagnieren werden, hängt maßgeblich vom Handeln der EZB ab, deren nächste Sitzung für den 11. April anberaumt ist. Haber äußerte sich in dieser Hinsicht nicht zu möglichen Zinsschritten und verwies stattdessen auf die aktuelle Phase der Zurückhaltung vor dem bevorstehenden Treffen. In ähnlich zurückhaltender Manier kommentierte der OeNB-Vize auch die Frage nach den Auswirkungen, die die von den Märkten erwartete Zinswende nun für Bank- oder Kreditkunden haben könnte. "Wir geben keine Empfehlungen ab, ob jemand einen Kredit mit festem oder variablem Zinssatz aufnehmen sollte", betonte Haber.
Variabel oder fixe Zinssätze bei Krediten?
Dennoch ließ er durchblicken, dass er grundsätzlich eine Kreditlandschaft bevorzugt, in der private Haushalte einen gewissen Anteil an Verträgen mit variablen Zinssätzen haben. Eine einseitige Bindung an Festzinssätze sei aus Sicht der Finanzmarktstabilität nicht zwangsläufig ideal, da in diesem Fall das gesamte Risiko von Zinsänderungen beim Bankensektor verbleibt, wobei Haber darauf hinwies, dass die endgültige Entscheidung, ob fest oder variabel, von jeder einzelnen Person entsprechend ihrer individuellen Lebenssituation getroffen werden müsse.
In jüngster Zeit haben sowohl österreichische Häuslbauer und Immobilienkäufer als auch ihre Kreditinstitute aufgrund des hohen Anteils an variablen Zinssätzen vermehrt Kritik einstecken müssen. Etwa 43 Prozent des gesamten heimischen Wohnbaukreditbestands sind derzeit an veränderliche Bedingungen wie die Entwicklung des Drei-Monats-Euribor gebunden. Diese Verträge verteuern sich also, wenn die Marktzinsen steigen, was vielen Wohnbaukreditnehmern derzeit zu schaffen macht.
Die Diskussion über die Vor- und Nachteile von festen und variablen Zinssätzen ist daher aktueller denn je. OeNB-Statistikdirektor Johannes Turner relativierte jedoch die Kritik. In den letzten Jahren haben die Österreicher durchaus auf die ständig sinkenden Zinsen reagiert und vermehrt Kredite mit Festzinsbindungen abgeschlossen. Noch 2018 lag der variable Anteil bei fast drei Vierteln, betonte Turner. Zwar neigten die Österreicher dazu, variable Schulden zu bevorzugen, während in Deutschland nur etwa 14 Prozent und in Frankreich nur sechs Prozent der Kredite variable Zinssätze aufwiesen. Es gebe jedoch auch Ausnahmen wie Finnland, wo nahezu alle Verträge variable Zinssätze aufweisen.
Die OeNB muss die Entwicklung im Auge behalten, insbesondere da der variable Anteil bei den neu vergebenen Krediten Anfang 2023 kurzfristig wieder auf fast zwei Drittel gestiegen ist. Dies ist ein klarer Indikator dafür, dass sich der Markt auf Zinssenkungen einstellt. Seit Februar 2023 zahlt man bei Neuabschlüssen auf variabel verzinste Verträge mehr als für Festzinsbindungen. Im Januar 2024 betrug der Unterschied laut OeNB-Zahlen deutliche 32 Basispunkte, während normalerweise Festzinsbindungen teurer sind.
Was die aktuelle Situation für Kreditnehmer bedeutet
Während Kreditnehmer von den erwarteten Zinssenkungen profitieren, müssen Sparer nun darüber nachdenken, wie sie die derzeit noch relativ hohen Erträge maximieren können. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Girokonten für den Zahlungsverkehr gedacht sind und daher keine hohen Zinsen bieten. Hier liegt der Durchschnitt bei lediglich 0,35 Prozent. Auf der anderen Seite sind täglich fällige Spareinlagen mit durchschnittlich 1,75 Prozent deutlich rentabler. Bereits kurze Bindungsfristen können derzeit einen erheblichen Unterschied machen, betonte Haber. Für ein Jahr Bindung können Sparer noch rund 3,25 Prozent auf ihre Einlagen erhalten.
Kommen nach 10 Zinserhöhungen der EZB nun die erwarteten Senkungen?
Seit Juli 2022 hat die EZB die Leitzinsen zehn Mal in Folge angehoben, zuletzt im September letzten Jahres auf nunmehr 4,5 Prozent. Seitdem halten die Notenbanker still und beobachten vor allem, ob das derzeitige Absinken der Inflation nachhaltig ist. Laut Eurostat lag die Inflation im März in der Eurozone bei nur 2,4 Prozent, nahe am Zielwert der Notenbanken von zwei Prozent. In Österreich liegt die Inflation derzeit laut einer Schätzung von Statistik Austria mit rund 4,2 Prozent fast doppelt so hoch wie im Euroraum.
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